Bitte benutzen Sie diese Referenz, um auf diese Ressource zu verweisen: doi:10.22028/D291-25664
Titel: Schuldprinzip und Fahrlässigkeit
Alternativtitel: Principle of guilt and negligence
VerfasserIn: Börchers, Katrin
Sprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2008
Kontrollierte Schlagwörter: Straftat
Schuldgrundsatz
Schuld
Fahrlässigkeit
Wille
Freie Schlagwörter: Schuldprinzip
Strafrechtliche Zurechnung
Straftheorien
Fahrlässigkeitsschuld
Fahrlässigkeitstheorien
penality
principle of guilt
imputation
guilt
negligence
DDC-Sachgruppe: 340 Recht
Dokumenttyp: Dissertation
Abstract: In der Arbeit wird zu der Frage Stellung bezogen, ob die Strafbarkeit fahrlässiger Taten nach dem Strafgesetzbuch mit dem Schuldprinzip vereinbar ist. Es geht folglich darum, ob und inwieweit von einer Schuld des fahrlässigen Täters ausgegangen werden kann. Die Auseinandersetzung mit der Fahrlässigkeitsschuld wird als bedingt durch die Klärung des Schuldbegriffs angesehen. Als Fixpunkt für den Schuldbegriff dient der Arbeit die verfassungsrechtlich verankerte Funktion des Schuldprinzips. In kritischer Auseinandersetzung mit den wesentlichen Auffassungen zu Schuldprinzip und Schuld aus der strafrechtlichen Literatur wird aus verfassungsrechtlicher Sicht zum Schuldprinzip Stellung genommen: Dem Schuldprinzip ist von Verfassungs wegen eine restriktive Funktion beizumessen, die dem Schutz des Einzelnen vor der Verhängung staatlicher Strafe dient. Diese Funktion gewährt dem Einzelnen erstens "retributve Gerechtigkeit". Eine solche "Vergeltung" ist selbst nur Korrektiv gegenüber dem Strafziel der Prävention im modernen liberalen Rechtsstaat. Zum Zweiten bedeutet die restriktive Funktion des Schuldprinzips Gerechtigkeit im Sinne einer fairen Behandlung des Einzelnen bei der Verhängung von Strafe. Der Täter musste die Chance haben, seine Bestrafung zu vermeiden, damit er wegen seiner Taten bestraft werden darf. Aufgrund einer "zufälligen" Schadensverursachung kann die Verhängung von Strafe auf Grundlage des Schuldprinzips hingegen nicht gerechtfertigt werden. Kein Verständnis des Schuldprinzips so weit geht, Strafe gerade davon abhängig zu machen, dass bestimmte Ereignisse in irgendeiner Form zufällig eingetreten sind. Das Schuldprinzip stößt hier an seine begriffliche Grenze. Die aufgezeigten Maßgaben "retributive Gerechtigkeit" und "faire Behandlung des Einzelnen" begründen Essentialia der Schuldlehre und damit auch einer Fahrlässigkeitsschuld. Strafrechtliche Schuld ist in ihrer komplexen Struktur einerseits der rechtliche Vorwurf der Tat gegenüber dem Täter und auch vor allem die psychische Beziehung des Täters zur Tat, die zu diesem Vorwurf berechtigt. Angesichts der in der Lehre vertretenen Konstruktionen einer Fahrlässigkeitsschuld wird die psychische Größe des Willens in der Arbeit ausführlich erörtert. Aus dem Schuldprinzip ergibt sich, dass die Vorstellung des Unrechts als hinreichend wahrscheinlich die notwendige und hinreichende Beziehung des Täters zur Tat ausmacht. Nur unter dieser Voraussetzung hat der Täter Strafe verdient und konnte er seine Bestrafung vermeiden. In einer Ordnung nach den verwendeten Schuldkriterien stellt die Arbeit die Konstruktionen einer Fahrlässigkeitsschuld dar: Bei Versuchen, eine psychische Beziehung des fahrlässigen Täters zum Unrecht herzustellen, werden insbesondere Varianten einer Willensschuld gebildet. Aufgrund des Mankos einer psychischen Verbindung zwischen Täter und Tat in den Fällen der so genannten "unbewussten Fahrlässigkeit" greifen einige Konstruktionen auf Normativismen, Potentialitäten und Negationen einer psychischen Größe als Kriterien zurück. Durch streng gegliederte Untersuchungen werden in der Arbeit logische und begriffliche Unstimmigkeiten der Lehren von einer Fahrlässigkeitsschuld verdeutlicht. Der Vergleich mit den Maßgaben des Schuldprinzips ergibt, dass sich nicht alle Fahrlässigkeit als Schuld erfassen lässt. Nur in bestimmten Fällen bewusster Fahrlässigkeit kann dem Ergebnis der Arbeit nach von der Schuld des Täters die Rede sein. Unbewusste Fahrlässigkeit einschließlich der Rechtsfahrlässigkeit wird als schuldlos erfasst und die Bestrafung von schuldloser Fahrlässigkeit als Zufallshaftung qualifiziert. Dieses Ergebnis wirft die Frage auf nach der Möglichkeit, die Zufälligkeit von Handlungsfolgen als strafrechtliches Zurechnungskriterium zu qualifizieren, anknüpfend an die philosophische Diskussion zum "Moral Luck".
This dissertation is about the issue whether it is compatible with the principle of criminal guilt to punish criminal offences caused due to negligence according to the criminal code (Strafgesetzbuch, StGB). Therefore the question has to be answered, whether and if so to what extent a negligent offender can be considered guilty of the offence. To discuss the guilt of negligence is here considered as contingent on clarifying the notion of criminal guilt. The principle of guilt which is here regarded as a part of constitutional law represents a fixed point to the notion of guilt. As a basis, the main theories in penology of the principle of guilt and of criminal guilt are critically reflected in this work. The principle of guilt is justified as a principle of constitutional status on which criminal guilt is based. This principle serves to restrict punishment, i.e. to save the individual from arbitrary punishment. Firstly, this restrictive function guarantees retributive justice to the individual, which means that the individual only has to accept punishment by the state if he deserves punishment. Secondly, the restrictive function of the principle of guilt secures justice, in the sense of a fair treatment of the individual, by providing fair conditions of punishment. Punishment is therefore conditional on reliability in planning. The notion of the principle of guilt is limited in any theory. That is why justifying punishment according to the principle of guilt excludes to punish somebody because of an offence committed by accident of any kind. Retributive justice and a fair treatment of the individual constitute the essential conditions of a theory of criminal guilt which a negligent offender has to fulfil in order to be qualified guilty. The notion of guilt requires a complex structure out of normative and empirical moments. Criminal guilt is blaming the offence on the offender. At the same time it is the mental link between offender and offence justifying the blame. Due to its importance to the theories of negligent guilt, the notion of the will as a mental condition is discussed extensively in this dissertation. The restrictive functions of the principle of guilt show which kind of mental link is required in order to speak of criminal guilt. Out of a variety of potential candidates for this link which are the will, the convictions or views of a person and the conception of the action as unrightful, it is this conception to win and represent the required and sufficient mental condition. The offender needs to conceive the offence as unrightful at the point of action since there is no rational decision on the unconscious. The main theories of negligent guilt are then presented by the respective criteria holding the negligent offender responsible. The constructions of this form of guilt especially show varieties of a guilt of will. It is because of the lack of a mental link between offender and offence in cases of so called unconscious negligence that many constructions of a guilt of negligence fall back on normativisms, potentialities and negations of a mental condition as decisive criteria. An analysis makes clear that there are logical mistakes in the theories of a guilt of negligence. Comparing the latter to the implications of the principle of guilt one can conclude that not every negligent offender may be registered guilty. In so far the principle of guilt is not completely fulfilled by punishing after the actual StGB. Since the unconsciously negligent offender did not hold an illegal offence probable to a qualified extent, unconscious negligence including negligent ignorance of the law cannot be considered as a basis for ascribing guilt. From the result of this dissertation, an act of conscious negligence can only be held guilty in special cases. In the rest of the cases, punishment of negligence has to be qualified as punishing someone by the criterion of accident. This result raises the problem whether accidental consequences can be considered as a criterion for ascribing offences in penality with reference to the philosophical discussion on "Moral Luck';.
Link zu diesem Datensatz: urn:nbn:de:bsz:291-scidok-28813
hdl:20.500.11880/25720
http://dx.doi.org/10.22028/D291-25664
Erstgutachter: Koriath, Heinz
Tag der mündlichen Prüfung: 11-Feb-2009
Datum des Eintrags: 29-Mär-2010
Fakultät: R - Rechtswissenschaftliche Fakultät
Ehemalige Fachrichtung: bis SS 2016: Fachrichtung 1.1 - Rechtswissenschaft
Sammlung:SciDok - Der Wissenschaftsserver der Universität des Saarlandes

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