Please use this identifier to cite or link to this item: doi:10.22028/D291-42087
Title: Epidemiologie, Diagnostik und klinische Relevanz von Mycobacterium chimaera in wasserführenden Medizinprodukten
Author(s): Schlotthauer, Uwe
Language: German
Year of Publication: 2023
Place of publication: Homburg/Saar
DDC notations: 610 Medicine and health
Publikation type: Dissertation
Abstract: Zusammenfassung Einleitung: Nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) kommen ubiquitär in der Umwelt vor, können jedoch schwere Infektionen des Menschen hervorrufen, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten. In die Klasse der NTM gehören auch Bakterien des Mycobacterium avium-intracellulare complex (MAC), dessen wichtigste Vertreter Mycobacterium avium und Mycobacterium intracellulare sind, dem aber auch weitere, nah verwandte Spezies angehören. Im Jahr 2004 wurde Mycobacterium chimaera erstmals als MAC-Vertreter beschrieben, ihm wurde aber aus klinischer Sicht initial nur eine geringe Bedeutung beigemessen. Seit 2012 konnten weltweit vermehrt Fälle invasiver Infektionen nach kardiochirurgischen Operationen mit M. chimaera in Ver-bindung gebracht werden. Untersuchungen der Umgebung zeigten schnell einen Zusammenhang mit Heater-Cooler-Units (HCUs), die im Rahmen der Operation als Unterstützung der Herz-Lungen-Maschine benötigt werden. Untersuchungen der Geräte in vielen Krankenhäusern sowie während des Herstellungsprozesses identifizierten die HCUs als Quelle für die Transmission von M. chimaera, und es wurden weltweit circa 180 Patientenfälle beschrieben. Neben der HCU, die im operativen Setting eingesetzt wird, kann das Bakterium auch in intensivmedizinisch genutzten Thermoregulatoren auftreten. Die Häufigkeit des tatsächlichen Nachweises von M. chimaera in wasserführenden Medizinprodukten wurde jedoch bisher nicht ausreichend systema-tisch untersucht. Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung von Geräte- und Patientenproben am Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS) hinsichtlich des Auftretens von M. chimaera. Material und Methodik: M. chimaera in HCUs: In einer Baseline-Untersuchung wurden an in herzchirurgischen Operationssälen des UKS genutzten HCUs mikrobiologische Abstriche (eSwab, Copan) entnommen. Zusätzlich erfolgte eine Luftkeimsammlung in räumlicher Nähe zur HCU, bei welcher 1000 Liter Luft über ein Selektivmedium geleitet wurden. Weiterhin wurden prospektiv Wasserproben (250 ml) aus den Tanks der HCUs über einen Zeitraum von 42 Monaten auf das Vorhandensein von NTM untersucht. Intensivmedizinische Thermoregulatoren: An Geräten, die zum Betrieb einer extra-korporalen Membranoxygenierung (ECMO) am UKS eingesetzt werden, wurden 100-250 ml Wasser aus den Tanks entnommen sowie mikrobiologische Abstriche von verschiedenen Lokalisationen auf NTM untersucht. Zusätzlich erfolgten Raumluftuntersuchungen. Retrospektive Analyse von Patientenproben: Bei allen UKS-Patienten mit Nachweis von MAC im Zeitraum von 2010 bis 2018 erfolgte eine retrospektive Analyse mit Hilfe der mikrobiologischen Laborsoftware M/Lab und der digitalisierten Patientenakte im Klinikinformationssystem. In Fällen mit M. intracellulare-Nachweis erfolgte eine Wiederanzucht des Pathogens zur exakten Speziesidentifizierung mittels PCR (Geno-Type® NTM-DR), um etwaige M. chimaera-Fälle als solche zu identifizieren. Mikrobiologische Analytik: Zum Nachweis von Mykobakterien wurden 50 ml der Was-serproben in ein Flüssigmedium (Middlebrook 7H11) gegeben und in einem MGIT 960-System inkubiert. Weitere 0,5 ml der Wasserprobe wurden dann auf ein Löwenstein-Jensen Festmedium ausplattiert. Die Bebrütung der Flüssig- und der Fest-medien erfolgte über 6-8 Wochen bei einer Temperatur von 36 +-2°C. Im Falle kulturellen Wachstums erfolgte eine Differenzierung mittels PCR. Ergebnisse: M. chimaera in HCUs: Bei 154 durchgeführten technischen Proben an HCUs konnte in 78 Proben ein Wachstum von insgesamt 83 Mykobakterien-Stämmen festgestellt werden. Den größten Anteil stellte M. chimaera mit 92,8% (n=77) dar. Über den gesamten Testzeitraum von 42 Monaten zeigte sich, dass kontaminierte Geräte auch durch eine intensivierte Aufbereitung nicht dauerhaft und gänzlich von Mykobakterien befreit werden konnten. M. chimaera in intensivmedizinischen Thermoregulatoren: Bei der Hälfte der Proben (9 von 18) konnte M. chimaera kulturell nachgewiesen werden. Sieben der 10 zur Verfügung stehenden Geräte waren von diesen M. chimaera-Nachweisen betroffen. Bei drei mit dem Einsatz der Geräte in Verbindung stehenden, intensivmedizinisch behandelten Patienten konnte M. chimaera transient in klinischen Materialien nachgewiesen (Bronchialaspirate) werden. Ein kausaler Transmissionszusammenhang ließ sich nicht belegen. Retrospektive Analyse von mikrobiologischen MAC-Nachweisen in Patientenproben: Bei 93 am UKS behandelten Patienten wurde im Zeitraum von 2010 bis 2018 ein Mykobakterium der MAC-Gruppe gefunden, dabei handelte es sich in 21 Fällen um M. chimaera (22,6%). In 3 Proben konnte durch die erneute Untersuchung ein vormals als M. intracellulare beschriebenes Pathogen mittels PCR korrekt als M. chimaera identifiziert werden. Mehr als die Hälfte (n=56) der von MAC betroffenen Patienten war männlich und der Altersmedian lag bei 63 Jahren. Als häufigste Hauptdiagnose konnte bei 32 Patienten eine pulmonale Vorerkrankung (z.B. Mukoviszidose oder COPD) identifiziert werden. Diskussion: Wasserführende Medizinprodukte stellen in kritischen medizinischen Bereichen ein relevantes Infektionsrisiko dar. Aufgrund der langen Latenz zwischen Aufnahme des Erregers und dem Auftreten einer klinischen Symptomatik und der vielerorts fehlenden mikrobiologischen Surveillance ist davon auszugehen, dass nicht alle Fälle von geräteassoziierten M. chimaera-Infektionen im Rahmen des globalen Ausbruchsgeschehens erkannt wurden. Es sollte immer kritisch geprüft werden, ob der Einsatz eines wasserführenden Medizinproduktes notwendig ist. Die Hersteller sollten entsprechende Alternativen entwickeln bzw. Maßnahmen ergreifen, damit das Infektionsrisiko weiter minimiert wird.
Abstract Introduction: Nontuberculous mycobacteria (NTM) occur ubiquitously in the environ-ment, but can cause serious human infections, particularly in immunocompromised patients. The class of NTM also includes bacteria of the Mycobacterium avium-intra-cellulare complex (MAC). Mycobacterium avium and Mycobacterium intracellulare are the most important MAC pathogens, but this complex also includes other closely related species. In 2004, Mycobacterium chimaera was described for the first time as a representative of MAC, but was initially considered to be of minor clinical relevance. Since 2012, however, an increasing number of cases of invasive infections after car-diac surgery have been associated worldwide with M. chimaera. Investigations of the surroundings quickly showed a connection with Heater-Cooler-Units (HCUs), which are required as part of cardiothoracic surgeries to run heart-lung machines. Evalua-tion of the HCUs in many hospitals and during the manufacturing process identified these devices as a source of transmission for M. chimaera. Indeed, approximately 180 patient cases have been described thus far. In addition to the HCU, which is used in the surgical setting, the bacterium can also occur in thermoregulators used in intensive care medicine. However, the frequency of the actual detection of M. chi-maera in water-carrying medical devices has not yet been systematically investi-gated. Hence, the overall goal of the present thesis was to examine devices and pa-tient samples at the Saarland University Medical Center (UKS) with regard to the oc-currence of M. chimaera. Material and methods: M. chimaera in HCUs: In a baseline study, microbiological swabs (eSwab, Copan) were taken from HCUs used in cardiac surgery operating theaters at the UKS. In addition, air sampling was carried out in close proximity to the HCU, in which 1000 liters of air were passed onto a selective medium. Furthermore, water samples (250 ml) from the tanks of the HCUs were prospectively tested for the presence of NTM over a period of 42 months. Intensive care thermoregulators: 100-250 ml of water were taken from the tanks of devices that are used to operate an extracorporeal membrane oxygenation (ECMO) at the UKS, and microbiological swabs from various locations were examined for NTM. In addition, room air sampling tests were carried out. Retrospective analysis of patient samples: All UKS patients with detection of MAC between 2010 and 2018 were retrospectively analyzed using the microbiological la-boratory software M/Lab and the digitized patient file in the hospital information sys-tem. In cases with M. intracellulare detection, the pathogen was re-cultured for exact species identification using PCR (GenoType® NTM-DR) to identify any M. chimaera cases as such. Microbiological analysis: To detect mycobacteria, 50 ml of the water samples were placed in a liquid medium (Middlebrook 7H11) and incubated in an MGIT 960 system. A further 0.5 ml of the water sample was then plated onto a Löwenstein-Jensen solid medium. The liquid and solid media were incubated for 6-8 weeks at a temperature of 36 ± 2°C. In the case of cultural growth, species differentiation was carried out using PCR. Results: M. chimaera in HCUs: In 154 technical tests carried out on HCUs, growth of a total of 83 mycobacterial strains was detected in 78 samples. M. chimaera represented the largest proportion with 92.8% (n=77). Over the entire test period of 42 months, it was shown that contaminated devices could not be permanently and completely freed from mycobacteria, despite intensified cleaning and disinfection procedures. M. chimaera in intensive care thermoregulators: M. chimaera was detected in half of the samples (9 out of 18). Seven of the 10 available devices were found to be colo-nized by M. chimaera. The bacterium was also detected in clinical materials (bron-chial aspirates) stemming from three intensive care patients, with a direct temporal link to the use of contaminated devices. Yet, a causal transmission connection could not be shown. Retrospective analysis of microbiological evidence of MAC in patient samples: A my-cobacterium of the MAC group was found in 93 patients treated at the UKS between 2010 and 2018, 21 of which were M. chimaera (22.6%). In 3 samples, a pathogen previously described as M. intracellulare could be correctly identified as M. chimaera by means of PCR by re-examination. More than half (n=56) of the patients affected by MAC were male and the median age was 63 years. A previous pulmonary disease (e.g. cystic fibrosis or COPD) was identified as the most common main diagnosis in 32 patients. Discussion: Water-carrying medical devices pose a relevant risk of infection in criti-cal medical areas. Due to the long latency period between exposure to the pathogen and the subsequent occurrence of clinical symptoms as well as the lack of microbio-logical surveillance in many places, it is likely that not all global outbreak cases of de-vice-associated M. chimaera infections have been detected. There is a need to criti-cally examine whether the use of specific water-carrying medical devices is neces-sary. Manufacturers should develop appropriate alternatives and take measures to minimize the risk of infection.
Link to this record: urn:nbn:de:bsz:291--ds-420875
hdl:20.500.11880/37763
http://dx.doi.org/10.22028/D291-42087
Advisor: Becker, Sören
Date of oral examination: 23-May-2024
Date of registration: 3-Jun-2024
Faculty: M - Medizinische Fakultät
Department: M - Infektionsmedizin
Professorship: M - Prof. Dr. Sören Becker
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